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Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 18.06.2008
Aktenzeichen: 12 U 136/07
Rechtsgebiete: StVO
Vorschriften:
StVO § 9 Abs. 3 S. 3 |
2. Der beweisbelastete Linksabbieger trägt nicht hinreichend zu seiner Behauptung vor, der Geradeausfahrer habe den Unfall durch überhöhte Geschwindigkeit (im Berufungsverfahren erstmals konkret: Ausgangsgeschwindigkeit 65 - 70 km/h) mitverursacht, wenn er einerseits geltend macht, er habe das andere Fahrzeug vor der Kollision nicht gesehen und nicht darlegt, in welcher Entfernung der Geradeausfahrer Anlass zu einer unfallverhütenden Reaktion hatte.
Kammergericht Beschluss
Geschäftsnummer: 12 U 136/07
In dem Rechtsstreit
hat der 12. Zivilsenat des Kammergerichts am 18. Juni 2008 beschlossen:
Tenor:
1. Es wird gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO darauf hingewiesen, dass der Senat nach Vorberatung beabsichtigt, die Berufung durch Beschluss zurückzuweisen, weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat.
2. Die Klägerin erhält Gelegenheit zur Stellungnahme hierzu binnen drei Wochen.
Gründe:
Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg.
I. Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung erfolgreich nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO) oder nach § 529 ZPO zu Grunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.
II. Beides ist hier nicht der Fall. Der Senat folgt vielmehr den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, die durch die Berufungsbegründung nicht entkräftet werden.
1. Zutreffend hat das Landgericht angenommen, dass gegen die Klägerin der Anschein einer unfallursächlichen Verletzung ihrer Pflichten aus § 9 Abs. 3 Satz 3 StVO beim Linksabbiegen auf der Kreuzung Tempelhofer Ufer/Schöneberger Straße/Schöneberger Ufer spricht, bei dem es am 2. April 2006 zur Kollision mit dem Beklagtenfahrzeug gekommen ist mit der Folge, dass sie für die Unfallfolgen allein haftet.
a) Entgegen der zur Berufungsbegründung dargelegten Auffassung der Klägerin wäre dieser Anschein nicht erschüttert, wenn feststehen würde, dass sich ihr Fahrzeug zum Zeitpunkt der Kollision nicht bewegt hätte. Es ist jedenfalls unstreitig, dass der Zusammenstoß sich ereignet hat, als die Klägerin nach links abbiegen wollte und zu diesem Zweck schon in die Kreuzung hineingefahren war: Das genügt als Grundlage für den Anscheinsbeweis. Der Senat folgt angesichts dieses Hintergrundes dem Argument der Klägerin nicht, es sei ein aussagekräftiges Indiz für die Einhaltung ihrer Pflichten beim Linksabbiegen, wenn feststehe, dass ihr Fahrzeug im Zeitpunkt der Kollision stillgestanden habe. Zu Recht hat das Landgericht hierzu auf Seite 4 UA bemerkt, da der Kollisionsort nicht feststehe, lasse sich aus dem Stillstand nichts für die Wahrung der Pflichten ableiten. Insofern bestand an dieser Stelle mangels Erheblichkeit des Klägervortrages kein Anlass für das Landgericht, eine Beweisaufnahme zum behaupteten Stillstand des Fahrzeuges auch nur in Betracht zu ziehen.
b) Die von der Klägerin hierfür herangezogene Aussage des Beklagten zu 1. im Termin am 10. Mai 2007 vor dem Landgericht ist gleichfalls nicht geeignet, den Anscheinsbeweis zu erschüttern. Der Beklagten zu 1. hat ausweislich des Sitzungsprotokolls bekundet, er habe das Auto der Klägerin vor dem Zusammenstoß nicht gesehen. Es sei auf einmal dagewesen und habe sich in seine Fahrspur hineinbewegt. Für ein pflichtgemäßes Verhalten der Klägerin ergibt sich daraus nichts.
2. Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht ein unfallursächliches Verschulden des Beklagten zu 1. nicht feststellen können.
a) Die Behauptung, der Beklagte zu 1. sei mit überhöhter Geschwindigkeit geradlinig in ihr stehendes Fahrzeug hineingefahren, beruht ersichtlich auf bloßen Mutmaßungen der Klägerin, die vor dem Landgericht ausgesagt hat, sie habe wegen anderer abbiegender Fahrzeuge nach vorne keine Sicht gehabt. Im Protokoll (dort Seite 2) heißt es dann: "Warum es zur Kollision kam, kann ich nicht sagen".
b) Abgesehen von der Frage der Präklusion neuen Vorbringens verhilft der neue Vortrag der Klägerin in der Berufungsbegründung und dem weiteren Schriftsatz vom 9. August 2007 zur Geschwindigkeit des Beklagtenfahrzeuges und Entfernungen ihrer Berufung nicht zum Erfolg.
Es ist schon nicht vorgetragen, dass es dem vorfahrtberechtigten Beklagten zu 1., der auf ein verkehrsgerechtes Verhalten der abbiegenden Klägerin vertrauen durfte, möglich war, unfallverhütend zu reagieren. Die Aussage der Klägerin, sie habe das Beklagtenfahrzeug vor der Kollision nicht gesehen, weil es durch andere Fahrzeuge verdeckt gewesen sei, spricht dafür, dass auch umgekehrt der Beklagte zu 1. das Klägerfahrzeug nicht sehen konnte. Damit erschließt sich nicht, ab wann und mit welcher Erfolgschance er Veranlassung zur Einleitung eines Bremsmanövers hatte.
Die jetzt erstmals erhobene Behauptung, das Beklagtenfahrzeug sei mit einer Geschwindigkeit von 65 - 70 km/h in die Kreuzung eingefahren, verliert sich vollends im Bereich der Spekulation. Nach den von der Klägerin zitierten Aussagen des Beklagten zu 1., die insoweit mit seinen Angaben vor dem Landgericht übereinstimmen, ist er bei Umspringen der Ampel auf grünes Licht losgefahren. Die Entfernung von der Ampel bis zur Kollisionsstelle soll nach jetzt vorgelegter Berechnung der Klägerin rund 14 m betragen haben (vier Fahrzeuglängen). Die Klägerin trägt auf Seite 1 des Schriftsatzes vom 9. August 2007 hierzu vor: "Auf diesen 14 m lassen sich weder die vom Beklagten behaupteten 30 km/h erreichen noch die hohe Geschwindigkeit, die hier zu dem streitgegenständlichen Schadensbild geführt hat". Damit ist unverständlich, wie dann die jetzt behauptete Geschwindigkeit erreicht worden sein soll. Einen Rotlichtverstoß des Beklagten zu 1. behauptet die Klägerin nicht; sie könnte hierzu nach ihrem bisherigen Sachvortrag auch nichts ausführen, weil sie das Beklagtenfahrzeug vor der Kollision nicht gesehen hat.
c) Unabhängig davon hat das Landgericht zu Recht davon abgesehen, das von der Klägerin verlangte Unfallrekonstruktionsgutachten einzuholen. Ein derartiges Gutachten kann nur zur Aufklärung beitragen, wenn feststehende Anknüpfungstatsachen vorliegen, die in Zusammenschau mit den sachverständigen Erkenntnissen einen aussagekräftigen Schluss auf den Unfallhergang zulassen. Daran fehlt es hier. Es mag sein, dass ein Gutachter in der Lage wäre, aus den Fotos der beschädigten Fahrzeuge oder auch durch Untersuchung des weiter beschädigt vorhandenen Klägerfahrzeuges die relative Kollisionsstellung zu bestimmen, eventuell auch die Kollisionsgeschwindigkeit. Ohne Kenntnis der Positionierung der Fahrzeuge auf der Fahrbahn hängen diese Informationen aber sozusagen "in der Luft" und besagen für die hier streitige Haftung nichts. Aus der Verkehrsunfallskizze in den beigezogenen Akten der Amtsanwaltschaft Berlin (3012 PLs 7305/06 Ve) ergibt sich, dass bei Eintreffen der Polizei die Fahrzeuge nicht mehr am Kollisionsort standen, sondern am Fahrbahnrand der Schöneberger Brücke abgestellt waren. Damit ist das Unfallgeschehen einer Rekonstrution entzogen.
III. Im Übrigen hat die Sache weder grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Senats zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 ZPO.
Es wird angeregt, die Fortführung des Berufungsverfahrens zu überdenken. Der Berufungsstreitwert soll auf 7.734,19 EUR festgesetzt werden (darin Schmerzensgeldanteil in Höhe von 750,00 EUR).
Ende der Entscheidung
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